Landschaftspfleger am Osterberg

Landschaftspfleger am Osterberg

Das Naturschutzgebiet “Lange Dreisch und Osterberg” ist das zweitgrößte Schutzgebiet im Bereich der Giesener Berge,  die sich ja entgegen der landläufigen Meinung bis hart an den Hildesheimer Wald erstrecken. Nimmt man es jetzt nicht allzu genau mit den offiziellen naturräumlichen Einteilungen, gibt es insgesamt erstaunliche sechs Naturschutzgebiete auf dem Gebiet des Höhenzuges von Giesen bis zum Hildesheimer Ortsteil Hildesheimer Wald. Der verbleibende Rest steht ebenfalls unter Landschaftsschutz und/oder ist Bestandteil anderer Naturschutzverordnungen (FFH/Vogelschutz etc.). Die einzelnen Gebiete sind…

  • NSG “Giesener Teiche”
  • NSG “Lange Dreisch und Osterberg”
  • NSG “Mastberg und Innersteaue”
  • NSG “Haseder Busch” (nicht ganz in den Giesener Bergen)
  • NSG “Gallberg”
  • NSG “Finkenberg/Lerchenberg”

Das ist durchaus beeindruckend und es ist auf jeden Fall ein echtes Erlebnis. Denn alle sechs Schutzgebiete sind sehr unterschiedlich, wenngleich die meisten von ihnen mehr oder weniger im Zusammenhang mit einer ehemaligen Hutewirtschaft stehen. Alle vier Schutzgebiete nördlich der Bundesstraße 1 hat die Stadt Hildesheim so treffend als Naturerlebnisgebiet “Kleeblatt” zusammengefasst. Für weitergehende Informationen empfehle ich die umfangreiche und fast 40-seitige, online verfügbare Broschüre der Stadt Hildesheim. Mit etwas Glück bekommt man sie auch in gedruckter Form bei der Stadt Hildesheim, bei der Tourist-Info oder am Info-Pavillon an der Innerste, am Übergang zwischen den Naturschutzgebieten “Mastberg und Innersteaue” und “Haseder Busch”. Solange es noch keinen Wanderbeitrag zum Kleeblatt gibt, stelle ich unten erstmal einen 8 Kilometer langen, persönlichen Vorschlag zur Erkundung des Naturschutzgebietes ein.

Der Lange Dreisch und der Osterberg gehören neben den Giesener Teichen zu den Gebieten, die schon immer die Menschen in der Umgebung angezogen haben. Ich persönlich habe hier als Kind Soldat gespielt und später dann Soldat spielen müssen. Damals war das Gebiet allerdings noch nicht ganz so ansehnlich wie heute. Denn die Nutzung durch schwere und gepanzerte Fahrzeuge hatte tiefe Spuren hinterlassen. Diese Narben sind überall noch zu erkennen, im Bereich des Dreisch sind sie allerdings weitestgehend begrünt. Am Osterberg ist auf den beidseitigen Zufahrtswegen zum vorzüglichen Kammweg der Untergrund bis zum Fels abgetragen. Auch die Erosion durch Wasser hat da wohl maßgeblich mitgeholfen. Fünf Kasernen gab es einst in Hildesheim, als ich 1992 meinen Wehrdienst beendete, heute ist der Standort komplett aufgelöst. Mit Panzern ging es hier lange rauf und runter. Am Ende waren nur noch die Sanis hier und es ging mit dem Unimog oder schweren Trucks den Berg hinauf und hinunter. Da wird manch ein späterer Brummifahrer sein Handwerk mehr als anständig erlernt haben. Ich kann mich noch gut an den “Spaß” erinnern, denn unsere Vorgesetzten gehabt haben müssen, wenn der KrKw mit Volldampf durchs Gelände bretterte und wir hinten drin, nahezu in Schwerelosigkeit, noch versuchen sollten, einem Verletzten eine Infusion oder einen Druckverband anzulegen. Als “Seuchenvogel” bei 30 Grad mit “Gummisau” und “Einheitsgesicht olivgrün” durch die Gegend zu latschen, war aber auch nicht viel angenehmer…

Blick vom Kamm des Osterberges nach Emmerke

Blick vom Kamm des Osterberges nach Emmerke

Aber es war schon spaßig beim Barras und jetzt ist endlich Ruhe im Karton und das ehemalige Truppenübungsgelände, das im kleineren Rahmen schon seit 1937 existiert, renaturiert sich wieder. Wobei es sich eigentlich eher rekultiviert. Denn bereits im Mittelalter wurde diese Gegend teilweise als Allmendeweide und Hutelandschaft durch die Ortschaften Himmelsthür, Giesen und Emmerke genutzt. Jede Menge liebes Vieh sorgte jahrhundertelang dafür, dass sich entgegen einer natürlichen Entwicklung eine weitestgehend offene Landschaft erhielt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dann Teile der Weiden in Ackerland umgewandelt und das Gebiet begann seinen Charakter zu verlieren. Da war es im Grunde genommen ein Segen, dass die Wehrmacht und die Bundeswehr das Gelände übernahmen. Denn Ackerbau war im militärischen Sperrbereich nicht mehr möglich und die Flächen wurden wieder vollständig beweidet. So erhielt sich in weiten Teilen der Zustand dieser uralten Landschaft, die sich vor den Toren Hildesheims befindet und wir dürfen sie heute wieder genießen. 2016 wurde der ehemalige Truppenübungsplatz schließlich wegen seines hohen natürlichen Stellenwertes zum Nationalen Naturerbe erklärt.

Das Naturschutzgebiet teilt sich in zwei grobe Bereiche, die (auch von der Größe) unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem aufs Feinste miteinander harmonieren. Der westliche Teil umfasst den Bergrücken des Osterberges, der momentan nur teilweise unter Schutz steht. Laut Verordnungstext handelt es sich um auf Kalk und Silikat anstehende Waldbestände aus Eiche, Buche, Linde und Esche. Man findet aber auch noch viele andere Baum- und Straucharten, die stellenweise dschungelartig den Berg bedecken. Der westliche Hang des Berges steht witzigerweise (noch) nicht unter Schutz, gehört landschaftlich aber zu den schönsten Abschnitten und sollte möglichst in eine Wanderung einbezogen werden. Direkt am Feldrand in Richtung Emmerke ziehen sich über die ganze Länge ehemalige Kalksteinbrüche, die noch mehr oder weniger im Gelände auszumachen sind. Ein noch weitestgehend einsehbarer Steinbruch befindet sich nordwestlich der ehemaligen Munitionsbunker. Der östliche Teil des Naturschutzgebietes ist der Lange Dreisch mit seinen nur lückenhaft mit Wald bestandenen Grünlandflächen. Hier haben sich Kalkhalbtrockenrasen, Kalkquellbereiche und Kleingewässer erhalten, wobei letztere auch durch die Nutzung durch das Militär entstanden sind. Diese Landschaft wirkt aus der Nähe mit den teils noch erhaltenen Fichtenwäldchen manchmal etwas dröge oder fade, beherbergt aber eine Vielzahl von Arten der Flora und Fauna. Wir selbst sind hier noch nicht großartig fündig geworden. Unser Hauptaugenmerk liegt aber auch beim Wandern und dem ganzheitlichen Genuss der Landschaft. Alle Pflanzen und Tiere kennen zu wollen, wäre sowieso ein sinnloses Unterfangen und den Pflanzen und Tieren ist es eh vollkommen Wurst, wie wir sie nennen. Außerdem laufen wir auch nicht kreuz und quer abseits der Wege durch das Gebiet, wie es leider immer noch zu viele tun. Bei den vielen Wegen, Pfaden, Rinnen und Fahrspuren ist es aber auch nicht einfach zu entscheiden, wo man jetzt gehen darf oder nicht. Der gesunde Menschenverstand muss aushelfen.

Blick Richtung Haseder Busch

Blick Richtung Haseder Busch

Wie man anhand der Fotos sehen kann, haben wir das Gebiet in den letzten Jahren aber auch eher stiefmütterlich behandelt. Theoretisch zumindest beherbergt das Gebiet eine große Fülle an Pflanzen und Tieren, denen man nicht aller Ortens über den Weg läuft. Über 500 Pflanzenarten sind nachgewiesen, darunter einige Orchideenarten, der Deutsche Ziest oder das höchst unscheinbar daherkommende Salz-Hasenohr. Bei den Tieren herrscht eine ebensolche Vielfalt und unter anderem tummeln sich hier der Große Perlmutterfalter, der Schwalbenschwanz, der Neuntöter oder der Urzeitkrebs Triops cancriformis. In den ehemaligen Munitionsbunkern finden Insekten und Fledermäuse einen Unterschlupf. Im Zusammenspiel mit den anderen drei Naturschutzgebieten ergibt sich ein Fleckchen Erde, das man als Besucher der Hildesheimer Gegend einfach unbedingt erlebt haben sollte. Unser Blick darauf ist unweigerlich etwas getrübt, weil wir Abschnitte davon schon aus der Kindheit kennen. Da fällt es schwer, eine solche Landschaft einzuordnen gegenüber einer, die man das erste Mal in Augenschein nimmt und davon vielleicht auch noch unerwartet begeistert ist. Trotzdem ist es uns, wenn wir uns denn mal wieder aufraffen können, eigentlich immer und ohne Ausnahme oder Einschränkung ein besonderes Vergnügen, die Gebiete des “Kleeblatts” zu besuchen.

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