Die Giesener Teiche! In Kindheit und Jugend war ich hier oft unterwegs, mit Opa oder den Kumpels und auch alleine. Kanonenpropper für Oma holen zum Beispiel. Teilweise haben wir hier als Kids manchen Schabernack getrieben, auf den ich schon lange nicht mehr stolz bin. Einmal bin ich, passionierter Nichtschwimmer bis heute, mutterseelenallein mit einem Bein ins Eis eingebrochen und konnte mich mit Müh und Not selbst vor einem frühzeitigen Ableben retten. Letztendlich war ich trotz allem nicht oft genug hier und damals auch noch ohne wirklich offenes Auge und Herz für die großartige Landschaft. Wenn man mich aber heute fragen würde, an welchen Ort es mich immer wieder wie magisch zieht, leider immer noch zu selten, wie man an den wenigen halbwegs anständigen Fotos erkennen kann, dann sind es die Giesener Teiche. Bereits die Eltern und Großeltern erzählten, wie es damals hier zuging, als der Große Teich noch zahlreiche Badegäste an- bzw. auszog und an der “Panzerstraße” ein Ausflugslokal zahlreiche Ausflügler lockte. Der Faszination dieses versteckten Fleckchens Erde konnte und kann man sich nicht entziehen. Der große Andrang ließ im Laufe der Jahre immer mehr nach und seit 1984 steht das Gebiet jetzt offiziell unter Naturschutz. Auch danach war es immer ruhiger geworden um die Teiche, die sich aber in den letzten Jahren, auch durch verschiedene Publikationen der Stadt Hildesheim, wieder einer immer größer werdenden Beliebtheit unter Naturfreunden erfreuen. Was glücklicherweise einen potentiellen, ungezügelten Massentourismus verhindert ist die abgeschiedene Lage, durch die man gezwungen ist, von allen Seiten einen mehrere Kilometer langen Weg ohne motorisierte Fahrzeuge zurückzulegen.

Auf dem Giesener Dreisch

Auf dem Giesener Dreisch

Die Giesener Teiche liegen ja eigentlich schon auf dem Gebiet der Stadt Hildesheim. Die Giesener Berge, zu denen die Teiche gehören, ziehen sich dafür aber auch nicht nur bis zur Bundestraße 1 bei Himmelsthür (Postamt des Weihnachtsmanns), sondern darüber hinaus bis an den Hildesheimer Wald. Nimmt man es jetzt also mal nicht allzu genau mit den naturräumlichen Einteilungen, gibt es insgesamt sechs Naturschutzgebiete auf dem Gebiet des Höhenzuges von Giesen bis zum Hildesheimer Ortsteil Hildesheimer Wald. Der verbleibende Rest steht ebenfalls unter Landschaftsschutz und/oder ist Bestandteil anderer Naturschutzverordnungen (FFH/Vogelschutz etc.). Die einzelnen Gebiete sind…

  • NSG “Giesener Teiche”
  • NSG “Lange Dreisch und Osterberg”
  • NSG “Mastberg und Innersteaue”
  • NSG “Haseder Busch” (nicht ganz in den Giesener Bergen)
  • NSG “Gallberg”
  • NSG “Finkenberg/Lerchenberg”

Das ist durchaus beeindruckend und es ist auf jeden Fall ein echtes Erlebnis. Denn alle sechs Schutzgebiete sind sehr unterschiedlich, wenngleich die meisten von ihnen mehr oder weniger im Zusammenhang mit einer ehemaligen Hutewirtschaft stehen. Das kleine und inoffizielle landschaftliche Kronjuwel sind (zumindest für mich) die Giesener Teiche, wenngleich das NSG “Lange Dreisch und Osterberg” maßgeblich zum wunderschönen Eindruck beiträgt. Die vier Schutzgebiete nördlich der Bundesstraße 1 hat die Stadt Hildesheim so treffend als Naturerlebnisgebiet “Kleeblatt” zusammengefasst. Für tiefergehende Informationen empfehle ich die umfangreiche und fast 40-seitige, online verfügbare Broschüre der Stadt Hildesheim. Mit etwas Glück bekommt man sie auch in gedruckter Form bei der Stadt Hildesheim, bei der Tourist-info oder am Info-Pavillon an der Innerste, am Übergang zwischen den Naturschutzgebieten “Mastberg und Innersteaue” und “Haseder Busch”.

Muschelkalkhang am Großen Teich

Muschelkalkhang am Großen Teich

Betritt man das Gebiet der Teiche von Hildesheim kommend über die Panzerstraße, biegt man an der ehemaligen Schießbahn der Bundeswehr links ab. Hier habe ich noch mein soldatisches “Pflichthandwerk” gelernt, wenngleich ich als gelernter Sanitäter ja eher als Kugelfang für andere hätte herhalten müssen. Heute ist hier wohl nicht mehr allzu viel los. Links vom Haupteingang steht nicht leicht erkennbar im Wald wohl das Wohnhaus, das einst als Waldgaststätte diente. Darüber ließ sich online leider nichts mehr herausfinden. Ich gehe davon aus, das die Gaststätte bereits vor etlichen Jahrzehnten geschlossen hat und sich das Gebäude schon lange in Privatbesitz befindet bzw. in irgendeinem Zusammenhang mit dem Schießstand steht. Kurioserweise ist die Gaststätte auf der Wanderkarte von “Publicpress” aus dem Jahr 2016, die ich gerne als Notnagel, wasserfeste Sitzunterlage oder Regenschirm dabei habe, immer noch als Einkehr eingezeichnet. Um die Ecke geht es in das Tal des anscheinend namenlosen Baches, der aus mehreren Quellen am Osterberg entspringt, die Teiche mit Wasser versorgt und dann in die Innerste abfließt. Das ist schon ein lieblicher Weg, der sich durch das kleine Tal zieht. Rechterhand die steiler werdenden Hänge des Giesener Waldes, links die nur leicht bewachsenen Hänge, die eigentlich schon zum angrenzenden NSG “Lange Dreisch und Osterberg” gehören.

Auf dem schmalen Pfad geht es am Unteren/Kleinen Giesener Teich vorbei, der vor etlichen Jahren noch erreichbar und teils offen war, heute aber nur noch schwer zugänglich ist. Wer eine Rheumabehandlung durch Brennesseln benötigt oder sich mal wieder so richtig ordentlich von den Brombeeren die Haxen und/oder Waden zerkratzen lassen will, der kann einen Abstecher wagen. Vorbei an einer kaum noch erkennbaren Quelle, an der man früher wunderbar seinen Durst stillen konnte und die meines Wissens nach nie nach Schwefel geschmeckt hat, geht es zum Oberen/Großen Giesener Teich, dessen Umfeld jeglicher Beschreibung spottet. Vom Muschelkalkhang am Großen Teich, auf dessen Hängen im Frühjahr das Stattliche Knabenkraut wächst, hat man einen phantastischen Blick über eine Landschaft die ihresgleichen sucht. Auch ein paar Kids, denen ich bei meinem letzten Besuch begegnete, zeigten sich, ganz im Gegensatz zu mir in ihrem Alter, beeindruckt … wenngleich sie auch ehrgeizige Pläne schmiedeten, hier eine Mountainbike-Arena mit Rampe an den Muschelkalkhängen einzurichten. Das ist wohl glücklicherweise unwahrscheinlich, da das NSG “Giesener Teiche” mittlerweile zusammen mit dem NSG “Lange Dreisch und Osterberg”, zum Nationalen Naturerbe erklärt wurde. Das ist nicht verwunderlich wenn man hier das erste Mal ankommt. Ich bin heute immer noch ganz hin und weg. Von den Kostbarkeiten der Flora und Fauna habe ich selbst noch nicht viel entdecken können, habe aber auch noch nicht angestrengt gesucht. Stattliches Knabenkraut und Mücken-Händelwurz am Hang, ein Deutscher Ziest im Gebüsch, sonst nicht viel. Ich bin sowieso erstaunt, das ich erst als ich davon las, hier die ersten Orchideen entdecken konnte. In den 30 Jahren zuvor habe ich nie eine gesehen. War ich blind, zur falschen Zeit am falschen Ort oder wurden die Orchis hier etwa vor einigen Jahren erst angesalbt? Egal! Hauptsache sie sind jetzt da.

Bachtal und Steilhänge

Bachtal und Steilhänge

Also gilt es öfter herzukommen und die Augen offen zu halten, um vielleicht einmal einem Sumpf-Herzblatt, einer Bienen-Ragwurz, dem Neuntöter oder dem Zwergtaucher zu begegnen. Ich gehe auch davon aus, das sich einige der Pflanzen im westlichen Teil des Naturschutzgebietes befinden, das nur noch schwer erreichbar wäre und auch tunlichst in Ruhe gelassen werden sollte. Ein Abstecher auf die große Wiese in Richtung Giesen, den Giesener Dreisch, lohnt sich allemal. Ein Weg führt am westlichen Rand der Grasfläche zum Waldrand, am anderen Ende kann man ebenfalls auf der Wiese oder auf einem Waldrandpfad zurückgehen. Von hier oben hat man ebenfalls einen schönen Blick über das eine Schutzgebiet ins nächste. Ein weiterer Abstecher, wenn man nicht sowieso nach Giesen zurückkehrt, führt ein paar Meter in den Wald zu über 40 bronzezeitlichen und recht gut erkennbaren Hügelgräbern, die auf eine Ansiedlung in der Nähe schließen lassen. Der Giesener Wald selbst hat sich in den letzten Jahrzehnten arg verändert und fast nirgends zum Vorteil. Schmale Wege und Pfade sind entweder verschwunden, verkrautet oder zu Fahrtrassen der modernen Waldwirtschaft umgewandelt. Lediglich der westliche Teil ist noch halbwegs empfehlenswert und ich werde sehen, das ich die entsprechende Wanderung von Giesen nach Hildesheim hier auch recht zeitnah wieder einstellen kann. Die asphaltierte Straße am nördlichen Ende des Dreisch, die sich bis nach Giesen zieht und hervorragend zum Radeln geeignet ist, ist ein Kuriosum früherer Jahre. Sie war Zufahrtsstraße zu einer “Bohrinsel”, die eine Zeitlang auf dem Dreisch stand. Das ist über dreißig Jahre her und ich kann mich an den imposanten Bau erinnern, aber nicht daran, wonach hier gesucht wurde. Anscheinend wurde glücklicherweise nichts gefunden.

Um die Teiche rankten sich in meiner Jugendzeit die wildesten Gerüchte. Manch einer veräpfelte uns oder wusste es nicht besser und behauptete, die Teiche wären Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg. Das es sich um als Erdfälle entstandene Teiche handelt, ist wahrscheinlicher, wenngleich man keine großartigen Infos darüber bekommt. Bombenkrater kann es trotzdem im Gebiet geben, da das 1945 mehrfach bombardierte Hildesheim nicht weit entfernt ist. Westlich des Großen Teichs gibt es aber einen kleinen neu entstandenen Erdfall und auch einen oberflächlich anstehenden Steinsalz-Aufschluss. Spätestens im 18. Jahrhundert wurden die Teiche vom Gut Steuerwald aus zu Fischteichen erweitert und dementsprechend genutzt. Die Grünlandflächen rund um die Teiche, wie der deutlich ausmachbare Giesener Dreisch, wurden als Weidefläche genutzt, die Waldgebiete teilweise als Hutewald. Im Wald, z.B. am Dreisch und an der Schießbahn, sind noch Schneitel-Hainbuchen ausmachbar. Auch im heute nicht mehr zugänglichen Westteil des Großen Teichs kann ich mich an solche Bäume am Waldrand erinnern.  Bevor ich es vergesse: Hermann Löns soll einst an den Giesener Teichen gewandelt sein und hat sich dort zu seiner Naturschilderung “Die Teiche” inspirieren lassen.

Weit vor der Stadt, zwischen Hügeln verborgen, liegen zwei Teiche…

Mehr gibt es von meiner Seite vorerst nicht zu schwätzen und so komme ich jetzt langsam zum Schluss, obwohl ich eigentlich wenig Informatives von mir gegeben habe, alles irgendwie durcheinander ist und ich eher in eigenen Erinnerungen geschwelgt habe. Aber wie immer sind es ja auch die eigenen Erlebnisse, die zählen und die sollt halt ihr haben. Ich wünsche eine spannende und erholsame Zeit in einer (nicht nur) im Landkreis Hildesheim einzigartigen Landschaft abseits der breiten Wege…

Die neuesten Kostbarkeiten