Ich habe mir gerade die Fotos von 2015 angesehen und festgestellt, wie unterschiedlich ein Weg wie dieser sein kann. Damals führte die Wieda Hochwasser und bei der Durchwanderung stand uns das Wasser bis über die Knie. Der Igelsumpf war noch einsehbar, die Frühblüher standen in vollster Blüte, die Felsen waren nicht so zugewachsen und an den Gewässern tummelten sich Kröten und Frösche. Dieses Mal war alles ein wenig anders, davon gleich mehr. Wir wollten auf dem Parkplatz an der KZ-Gedenkstätte Dora-Mittelbau starten. Als wir dort mit unserem Karpatenporsche standen, hielt neben uns jemand mit einem Dacia Jogger und wir kamen kurz ins Gespräch. Auf einmal kam ein älterer Dacia Duster dazu und wir dachten schon, wir könnten einen Club aufmachen. Allerdings war es das Fahrzeug einer Security-Firma, die den Parkplatz überwacht und die Dame monierte, dass die Leute mit dem Jogger nicht ordnungsgemäß geparkt hätten – was auch stimmte. Na ja, wir entschieden uns nach diesem Erlebnis dafür, wieder auf unserem „Stammparkplatz“ an einer Wiedafurt zu parken. Je nachdem, in welche Richtung man zuerst geht, muss man die Wieda an dieser Stelle überqueren. Mit etwas Glück führt sie wenig bis gar kein Wasser, ansonsten heißt es nasse Füße bekommen – was im Sommer durchaus willkommen sein kann. Wir gingen dieses Mal andersherum, weil wir um die „Durststrecke“ im Bereich Woffleben wussten und diese dann in der ersten Hälfte der Tour abarbeiten konnten. 

Gedenkstätte KZ Dora-Mittelbau

Gedenkstätte KZ Dora-Mittelbau

Wir starten und gehen kurz auf der L2067, bevor wir uns Richtung Lochmühle durch eine durchaus liebliche Landschaft bewegen. Nicht nur hier, sondern in der ganzen Gegend, kann man zur rechten Zeit die blühenden Sträucher und Obstbäume bestaunen. Kirsche und Schwarzdorn sind schon durch, aber es gibt noch Apfelbäume, Traubenkirschen und an einigen Stellen den Weißdorn. Wir gehen ein Stück hinauf, dann wieder hinunter zum Lochmühlengraben und zur Lochmühle. Rechts von uns einige interessante Trockenrasengebiete. Früher führte der Karstwanderweg, der gerade in Thüringen und Sachsen-Anhalt zwei oder mehr Wegführungen verdient hätte, hier entlang. Weil es Karstphänomene in Hülle und Fülle gibt, absolvieren wir ihn auch hier in Rundetappen – wobei wir als grundsätzlich Ortsunkundige natürlich nicht immer den besten Weg treffen. Dieser ist aber wirklich nett, führt uns zu einem Waldstück, dass wir durchqueren und dann in die Offenlandschaft mit Aussichten zum Harzrand. Bevor wir uns an den Abstieg nach Woffleben machen, erwartet uns eine perfekte Wanderhütte mit toller Aussicht zum Himmelsberg, den wir zusammen mit dem verbundenen Mühlenberg ebenfalls noch besuchen werden. Die beiden Berge, die angeblich ihresgleichen im Gipskarst suchen, sind beide als Naturschutzgebiet ausgewiesen und bekommen (oder haben schon) neue Wanderwege. Ich verlinke diese schon einmal an dieser Stelle: Hotspotpfad Feuersalamanderpfad (5 km), Hotspotpfad Mühlberg (9,5 km) und Hotspotpfad Mühlberg, Himmelsberg und Kelle (11,5 km). Da sollte doch für jeden Karstliebhaber etwas dabei sein.

Durch die baum- und strauchbestandene Feldmark geht es noch recht gediegen hinab nach Woffleben. Ein kurzes Stück geht es hinein an der Landstraße, dann biegen wir rechts ab und nehmen den nicht ganz so angenehmen Marsch zum Kohnstein in Kauf. Der einst wohl schöne Bergzug ist durch den massiven Gipsabbau teilweise fast bis zur Unkenntlichkeit abgetragen. Davon bekommen wir heute glücklicherweise nicht viel mit. Wir überqueren die Wieda, die bei unserem Besuch komplett verschwunden war und streben zum Komödienplatz hinauf. Das ist erst einmal ziemlich unspektakulär. Dann geht es hinab durch den durchaus freundlichen Wald zum ehemaligen KZ Dora-Mittelbau (oder auch Mittelbau-Dora). Als Erstes erreichen wir gleich einen der bedrückendsten Orte, das ehemalige Krematorium, an dem ein Hang voller Steine den ehemaligen Aschehang darstellt. Auf www.dora.de kann man sich umfangreich informieren. Darum nur kurz die unmenschlichen Eckdaten: Ab 1936 wurde hier ein riesiges Stollensystem für den Bau der „Vergeltungswaffen“ (V1, V2) ausgebaut, ab 1943 von KZ-Häftlingen. 60.000 Häftlinge wurden hierher deportiert, von denen 20.000 durch Hunger, Erschöpfung und Krankheiten ermordet wurden. Bei der Befreiung 1945 waren nur noch wenige hundert Insassen im Lager. Der Rest wurde auf Todesmärsche geschickt und auch diese werden nur wenige Menschen überlebt haben. Als wir vor etlichen Jahren an einer Führung im Stollensystem teilnahmen, wollte es wohl das Schicksal, dass ein belgischer Häftling den Ort zum ersten Mal seit Ende des Krieges besuchte und von seinen Erlebnissen berichtete. Als wir in den Stollen waren, fragte er mit Tränen in den Augen, was wir wohl meinen würden, was am schlimmsten war? Ich wusste sofort, dass er nicht sagen würde, dass es Hunger, Schläge und Tod waren. Er sagte, dass das Schlimmste die Ausweglosigkeit und Sinnlosigkeit der Situation war, der Verlust der Menschlichkeit und die Willkür der Täter. Er sagte, dass die, die das Lager nicht überlebt hatten, vielleicht besser dran waren als die körperlich, geistig und seelisch gemarterten Überlebenden.

Blick von den Hörninger Sattelköpfen

Blick von den Hörninger Sattelköpfen

Wir durchqueren den Außenbereich des Lagers, in dem nur wenige Überreste vom Grauen zeugen. Auf Infotafeln kann man sehen, was für ein gewaltiger Komplex das KZ Dora-Mittelbau war. Nach dem Verlassen wenden wir uns dem Salzaspring zu, der zweitstärksten Karstquelle neben der Rhumequelle bei Pöhlde. Eigentlich handelt es sich um eine Quellgruppe, deren Ursprung bis heute nicht erforscht ist. Wer die Tour abgekürzt hat, kann hier zum Beispiel beidseits der Salza bis zum Salzaquellbad und zurück verlängern. Wir wenden uns hingegen dem Südteil des Kohnstein zu, der schon viel gefälliger daherkommt. Am Hirschenteich kann man eine Rast einlegen, wenn man nicht wie wir an einem sonnigen Frühlings-Sonntag unterwegs ist und der Teich daher völlig überlaufen. Wir machten dann eine Rast auf einem abgebrochenen Ast am Katzenstein. Das Hirschental ist in diesem Bereich ein Dolinental (Uvala), ähnlich der auf der 8. Etappe besuchten Hunnengrube, wobei wir hier wegen der üppigen Vegetation weniger mitbekommen. Infotafeln geben aber immer wieder Auskunft. Mittlerweile bin ich auch schon so schlau geworden, neben der Navigation die tolle Karte von www.karstwanderweg.de laufen zu lassen. Dann kann man auch noch viele Informationen online beziehen. Durch den sehr freundlichen Karstwald geht es weiter durch den südlichen Teil des Kohnstein. Mehrere Rastplätze laden noch zum Verweilen ein. Schließlich erreichen wir das kleine Örtchen Hörningen. Hier kann man, wir taten es bislang leider nie, die Sachseneiche besuchen. Am Standort des noch gar nicht so alten, aber mächtigen Baumes, kann man auch rasten und/oder parken.

Wir wenden uns, ob mit oder ohne Besuch der uralten Eiche, dem Naturschutzgebiet Hörninger Sattelköpfe zu. Ein schöner Weg führt uns in diese hervorragende Karstlandschaft mit ihren Dolinen und Uvalas. Infotafeln informieren über das Schutzgebiet und Orchideen im Karst, von denen wir dieses Jahr nur wenige zu Gesicht bekamen. Am Nordhang der Höhe angekommen, erwartet uns eine Aussichtsbank, die ihresgleichen sucht und eine später im Jahr garantiert botanisch interessante Gegend. Das ist einer von vielen Plätzen im Karst, die alle Mühen, die man manchmal in Kauf nehmen muss, vergessen lassen. Nach dem ausgiebigen Genuss der Sattelköpfe machen wir uns an den Abstieg in Richtung Wiedatal. Am Waldrand treffen wir auf einen Weg, der nach rechts führt und eine mögliche Abkürzung der Tour wäre. Man kann auch noch einen Abstecher zur Wiedabrücke machen. Ansonsten geht es am schönen Waldrand entlang in Richtung Igelsumpf. Der war vor zehn Jahren noch besser einsehbar, mittlerweile ist er nahezu zugewachsen. Der „Sumpf“ entstand durch Verkarstungen im Umfeld und das versickerte Wasser der nahegelegenen Wieda und stellt ein Refugium für seltene Pflanzenarten dar. Da ist es wohl besser, dass nicht alle „Schaulustigen“ hier ungehindert herumtrampeln können. Nur wenige Meter sind es jetzt bis zur nahegelegenen Wieda und der Durchquerung derselben. Hier entscheidet sich, ob man trockenen oder nassen Fußes zurück an den Ausgangspunkt gelangt. Im Sommer kann eine Abkühlung der Stelzen, bevor man sich auf die mehr oder weniger lange Heimreise macht, eine Wohltat sein.

Am Ende eines Tages...

Diese Etappe im Karst weist je nach Jahreszeit zwar einige kleinere Härten auf, wie den Abschnitt von Woffleben bis zum Komödienplatz, kann aber durchaus als empfehlenswert ausgegeben werden. Man kann sie im Bereich der Hörninger Sattelköpfe gut abkürzen, lässt dann aber die Wieda komplett weg, die nette Landschaft an der Lochmühle und am Rand des Kammerforstes. Besser geeignet ist die verkürzte Runde mit ihren 11 Kilometern dann für eine Kombination mit dem Besuch bzw. einer längeren Erkundung der KZ-Gedenkstätte. Die Abkürzung habe ich in der Karte eingezeichnet. An dieser Stelle spreche ich auch eine klare Empfehlung für einen Besuch im Frühling aus, wenn die weitestgehend blattlosen Wälder voller Geophyten sind. Das gilt allerdings für die gesamte Karstgegend und eigentlich für alle Wanderungen in unseren Breitengraden. Der Frühling ist hierzulande die beste Wanderzeit und wir nehmen mittlerweile, wenn möglich drei Wochen Urlaub von März bis Mai.

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